Das Friedensgericht von Malsch
Am 10. März 1949 beschloss der Landtag von Württemberg-Baden das „Gesetz Nr. 241 über die Friedensgerichtsbarkeit“. Durch diese Landesgesetzgebung war es möglich über „Friedensgerichte“ in den Gemeinden, Streitigkeiten jeder Art gütlich beizulegen und einen Vergleich darüber zu beurkunden. Weiter war es möglich in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, falls eine gütliche Beilegung nicht möglich war und der Streitwert 150 DM nicht überstieg, ein Urteil zu fällen und einstweilige Verfügungen zu erlassen.
Diese nicht ganz standesgemäße Gerichtsbarkeit wurde außer in Württemberg-Baden sonst in keinem anderen Bundesland eingeführt.
Mit der Einführung der Friedensgerichte wollte man eine Entlastung der ordentlichen Gerichte erreichen und bei der Bevölkerung das Verständnis für Rechtsfragen nach dem Kriege stärken. In erster Linie war die Aufgabe der Friedensgerichte bei den Streitigkeiten nicht richten, sondern schlichten.
Nach einem Bericht in der „Zeit“ von Ende August 1954 hatten pro Jahr die Friedensgerichte im Nordteil von Baden-Württemberg insgesamt rd. 14 000 Privatklagesachen, 55 000 bürgerliche Rechts- und über 225 000 Strafverfügungssachen erledigt. Die Statistik ergab auch, dass 41,5 % der Streitfälle mit einem Vergleich endeten. Berufungen gegen Entscheidungen der Friedensgerichte in Zivilsachen wurden in 83,5 % der Fälle zurückgewiesen und nur in 5% aller Strafverfügungssachen wurde Einspruch erhoben. Diese Zahlen zeigten, dass die Arbeit der Friedensgerichte recht ordentlich war.
Diese Aussagen über die Effizienz dürften im Wesentlichen auch für das Friedensgericht in Malsch zutreffen.
Dass das Friedensgericht in Malsch im Jahre 1952 einige Arbeit hatte, zeigt ein Bericht im Gemeinde-Anzeiger vom 31. Januar 1953. Dort ist unter anderem vermerkt, dass im Jahre 1952 in 30 Zivilsachen (z.B. Streitigkeiten wegen Forderungen und Nachbarrechten) entschieden werden musste. Dabei wurden 22 Zahlungsbefehle erlassen und 8 Klagen erhoben. Weiterhin wurde im Jahre 1952 über insgesamt 272 Strafsachen verhandelt, wobei die 211 Strafverfügungen wegen Verkehrsdelikten und 30 Strafverfügungen wegen Felddiebstähle den größten Anteil hatten. Im Jahresbericht 1952 des Friedensgerichts wurde auch der Wunsch geäußert, dass die Personen, die zu einem Termin geladen werden, auch guten Willens sein sollten ihren Fehler einzugestehen, damit gerade in Privatklagesachen mehr Vergleiche erzielt werden können.
Die Sitzungen des Friedensgerichts von Malsch fanden im Trausaal des Rathauses statt und waren öffentlich. Die Sitzungstermine wurden teilweise im Gemeinde-Anzeiger bekannt gegeben.
In den ersten Jahren in Malsch war der Bürgermeister Vorsitzender des Friedensgerichts. Die Vertreter und Beisitzer wurden aus den Reihen des Gemeinderats gewählt. Dies waren in den Anfangsjahren Eugen Reichert und Alois Ihli. Für ihre ehrenamtliche Tätigkeit bekamen die Beisitzer laut eines Gemeinderatsbeschlusses vom Januar 1948 eine kleine Entschädigung. Die Vereidigung der Friedensrichter und der Beisitzer fanden beim Amtsgericht in Ettlingen statt.
Eine Änderung der Besetzung im Friedensgericht Malsch ergab sich im Juni 1952. Ab diesem Zeitpunkt übernahm der Referendar Fritz Kastner, Kreuzstraße 16, den Vorsitz des Friedensgerichts Malsch. Beisitzer blieben Eugen Reichert und Alois Ihli.
Dies wurde einstimmig vom Gemeinderat in der Sitzung am 28. Mai 1952 beschlossen. Für diese Tätigkeit erhielt Fritz Kastner 10,-- DM pro Sitzung. Ab November 1955 arbeitete Fritz Kastner beim Bundesverkehrsministerium in Bonn und bat daher die Gemeinde, ihn nach über dreijähriger Arbeit von seinem Vorsitz als Friedensrichter zu entbinden. Auf seinen Vorschlag hin, bestellte der Gemeinderat Obersekretär Buchmaier zum neuen Vorsitzenden und Frau Fischer als Urkundsperson. Als Stellvertreter wurde Gemeinderat Buhlinger benannt.
Das „Gesetz über die Friedensgerichtsbarkeit“ wurde 1959 vom Bundesverfassungsgericht wegen Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter für nichtig erklärt und 1960 von dem Baden-Württembergischen „Gesetz über die Gerichtsbarkeit“ abgelöst, obwohl die Erfahrungen mit den Friedensgerichten bis dahin nicht negativ waren.
Im Archiv der Gemeinde Malsch befinden sich die Tätigkeitsberichte des Friedensgerichts Malsch bis zum Jahre 1957. Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch das Friedensgericht von Malsch in diesem Jahre aufgelöst wurde.
Jahr Mahnsachen Prozesse Strafverfügungen Privatklagen
1949 1 1 216 8
1950 9 2 262 19
1951 13 4 188 21
1952 22 12 272 30
1953 10 6 112 19
1954 21 5 87 16
1955 20 7 150 13
1956 12 6 392 24
1957 19 10 82 20
So wie Fritz Kastner mitteilte, hing die seinerzeitige hohe Zahl an Strafverfügungen damit zusammen, dass der Weiterbau der Bundesautobahn an der B 3 in Neumalsch endete und es dort Geschwindigkeitsbegrenzung gab, die vielfach nicht eingehalten wurden.
Josef Bechler
Heimatfreunde Malsch