Vor einigen Tagen stand ich mit meinem Auto an der Kreuzung in Neumalsch. Während der langen Rotphase hatte ich ausgiebige Gelegenheit die Figur des Hl. Christophorus zu betrachten. Ich konnte kaum glauben, dass schon wieder mehr als neun Jahre seit 2011 vergangen sind seit die Heimatfreunde Malsch diese Statue des Bildhauers Elmar Göbel aus Assamstadt aufbauten.
Gemeiselt aus einem Torpfosten eines aufgelassenen Bauernhofes im Bauland kann man guten Gewissens von einem Wahrzeichen von Neumalsch sprechen.
Doch was anderes kam mir in den Sinn.
Pfarrer Thomas Dempfle, der die Einweihung und Segnung vorgenommen hatte bemerkte damals im anschließenden Gespräch: „Von Neumalsch wissen wir eigentlich gar nichts!“
Wie recht er doch hatte, dachte ich.
Grund genug fast 10 Jahre nach der Einweihung einmal in meinem kleinen Archiv zu stöbern und aus Unterlagen von Lore Ernst, Wilhelm Wildemann, Benedikt Schwarz und eigenen Recherchen einen kleinen Abriss dieser, relativ jungen Malscher Ausbausiedlung zu geben.
Unser Ausflug in die Vergangenheit ist nicht vollständig, manches kann nur kurz angerissen werden, auf manches wurde verzichtet, war es ja nicht die Absicht eine lückenlose Monografie der Siedlung zu erstellen, aber vieles ist es wert erwähnt, erzählt und erhalten zu werden.
Als Johann Wolfgang von Goethe am 22. Mai 1775 in Karlsruhe aufbrach um seine Reise in die Schweiz fortzusetzen, passierte er wohl auch das noch unbebaute Ödland auf der Hardt.
Die Anfänge von Neumalsch gehen zurück ins Jahr 1785. Doch schon 700 Jahre zuvor war die dortige Gegend besiedelt; einen knappen Kilometer südlich der heutigen Kreuzung B3/L608 in Richtung Fuchsecks stand die Siedlung Ziegelhofen welche von den Mönchen aus Herrenalb und deren Laienbrüder bewirtschaftet wurde. Der von den Heimatfreunden Malsch wieder aufgebaute Ziegelhofbrunnen verrät uns die Lage des untergegangenen Dorfes. Sogar eine eigene Gemarkung soll die Siedlung gehabt haben.
Nordöstlich von Neumalsch, irgendwo in der Linnert besaß das Kloster Herrenalb ein weiteres Hofgut, den Lindenharter Hof. Seine genaue Lage konnte bis dato noch nicht exakt lokalisiert werden, da zuverlässige Funde oder Mauerreste bisher nicht gefunden werden konnten. Als Malsch im Jahre 1603 an die Markgrafschaft Baden fiel, vorher war es 300 Jahre lang Klosterdorf gewesen, begann der Verfall. Aufgrund seiner ungünstigen Lage wurde Lindenhart aufgegeben und seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges verfielen die Gebäude und der Forlenwald nahm wieder Besitz von der Siedlung.
Doch zurück zu den Anfängen von Neumalsch. In den 1780er Jahren kam der Söllinger Schultheiß Frommel auf einer seiner Wanderungen durch die Markgrafschaft Baden auch in das Gebiet zwischen Malsch und Durmersheim. Frommel war mit dem Markgraf befreundet und kann durchaus als sein Berater bezeichnet werden. Ihm fiel auf, dass weite Landstriche rechts und links der Landstraße Ettlingen – Rastatt Ödland waren. In den Dörfern war damals schon Bauland rar, die Bevölkerung hatte stark zugenommen und so kam Frommel auf die Idee an der Kreuzung eine Siedlung anzulegen.
Ein Teil der Grundstücke auf der Hardt war Domäne, das heißt es gehörte der Markgrafschaft Baden, so dass bei der Erschließung und Parzellierung des Geländes keine großen Schwierigkeiten zu erwarten waren.
Am 15. August 1787 legte er seinen Plan über die Gründung eines neuen Dorfes am Malscher Kreuz vor. Unterstützung fand er beim Geheimen Rat von Edelsheim und dem Ettlinger Amtmann Holzing.
Der Plan sah vor, dass für den Anfang 50 Wohnhäuser mit den erforderlichen Wirtschaftsräumen gebaut werden sollten.
Es war vorgesehen den Neuansiedlern für einige Jahre Steuerfreiheit und weitere Vergünstigungen wie die Beschaffung des Bauholzes zu gewähren.
„So wäre an der ganzen Sache gar nicht zu zweifeln, dass, wo nur einmal der Anfang mit einer geringen Anzahl Bewohner allda gemacht sei, gewiss in kurzen Jahren ein mit Gärten und Baumwerk umgebenes , wahrhaft gesegnetes, schönes Dorf alldorten sich zeigen wird“ so Frommel in seinem Bericht an die badische Herrschaft.
Betrachtet man sich die Pläne die dem Bericht beigefügt wurden, sieht man schmucke, bis zu drei Stockwerk hohe Wohnhäuser, in der Mitte eine große Kirche, die eher größer geplant war, als die damalige Kirche zu Malsch; alles entlang der damals sogenannten Hauptstraße (heute B3), dazu ein großer Marktplatz, bepflanzt mit zahlreichen, Schatten spendenden Bäume. Gegenüber der Kirche, Richtung Malsch war ein Rathaus geplant.
Nach Frommels Überlegungen sollten dort in erster Linie Einwohner von Malsch angesiedelt werden, das nach Frommels Eindruck schon überbevölkert war.
Es hatten sich bei ihm auch schon einige Familien aus dem Dorf gemeldet die sämtliche „gute Haushälter, fleißige, teils nicht unvermögende Leute waren“.
Doch auch von außerhalb gab es Interesse, sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Der Bürger Matthäus Becker aus Reichenbach wollte ein Gut von 30 Morgen anlegen und eine Wirtschaft errichten.
Doch blieb es vorerst bei der Absicht. Zwei Jahre später, 1789 wird Klage darüber geführt, dass noch keine Spur eines Dorfes zu erkennen sei.
Der Ökonomierat Reinhard griff Frommels Vorschlag erneut auf und legte am 23. Juni 1789 einen ausführlichen und detaillierten Plan zur Gründung des Dorfes Neumalsch vor. Dieser sah vor, das neue Dorf weiter südlich auf dem Gelände des ehemaligen Klosterhofs Ziegelhofen zu aufzubauen (Nähe Fuchseck). Hier sollten Grundstücke von 50 bis 60 Morgen Land an tüchtige Bauern vergeben werden. Doch auch diesem Vorschlag war kein Erfolg beschieden.
Wie Lore Ernst erwähnt, war es gut, dass zu dieser Zeit noch keine Siedlung bestand, denn in der Schlacht bei Malsch im Juli 1796 hätte sie mitten im Aufmarschgebiet der Österreicher gelegen.
Im Jahre 1798 melden sich drei Bürger aus Bruchhausen die am „Malscher Kreuz“ ansiedeln wollen, doch wurde dieses Ersuchen von der Regierung abgewiesen. „Die Zeitumstände für eine solche Siedlung seien ungünstig“ , lautete der amtliche Bescheid.
Dann, im Jahre 1810 kam Bewegung in die Sache. Mehrere Malscher Bürger baten um die Genehmigung einige Häuser am „Malscher Kreuz“ erbauen zu dürfen. Das zuständige Murgkreisdirektorium ließ erkennen, dass es dieses Ersuchen mit Wohlgefallen aufnehme, „da dadurch endlich der Grund zu dem neuen Dorfe gelegt werde“. Doch nun zeigte sich im Dorf Malsch Widerstand gegen dieses Vorhaben. Stabhalter Johann Georg Buhlinger ritt mehrfach zum Amt Ettlingen und brachte seine Bedenken und die der Malscher vor. Vor allem sträubten sich die Malscher dagegen, fremde Kolonisten in ihrer Nähe zu dulden.
Das Amt Ettlingen und die Herren von Karlsruhe fuhren nun eine härtere Linie und wollten daraufhin jeden Neubau in Malsch verbieten; wer bauen wolle solle dies in Neumalsch tun. Dieser Plan sorgte für großen Unfrieden im Dorf.
Doch wen wundert es, dass die Obrigkeit sich durchsetzte und so wurde schlussendlich im Jahre 1811 mit dem Bau der Siedlung begonnen. Der Plan war von Weinbrenner, Frommel und Fischer unterzeichnet.
Drei Malscher Bürger Johann Augenstein, Willibald Kastner und Michael Gräßer bauten die ersten drei Häuser, eine Weinwirtschaft mit Posthalterei, eine Bäckerei mit Bier- und Weinausschank sowie eine Hufschmiede und Sattlerei.
Obwohl sich die badische Regierung alle Mühe gab, noch mehr Siedler anzulocken, dazu gehörten kostenlose Bauplätze und mancherlei Vergünstigungen blieb der Erfolg aus. Niemand wollte sich „Am Malscher Kreuz“ ansiedeln.
Nun verfielt die Regierung auf einen anderen Plan: Das regelmäßig von der Rheinflut überschwemmte Dorf Dettenheim sollte verlegt werden. Man kam nun auf die Idee die Einwohner nach Neumalsch umzusiedeln. Dagegen protestierte das Amt Ettlingen vehement „dass in der ganzen Malscher Gemarkung kein Platz für die Dettenheimer sei.“ Als Folge dieser Ablehnung gründeten die Dettenheimer das Dorf Karlsdorf bei Bruchsal. Der Fiskus hätte den Dettenheimer Wald gerne übernommen und Malsch hätte dafür einen Anteil am herrschaftlichen Wald am Eichelberg erhalten.
Das Jahr 1820 brachte neue Aufregung.
Außer den drei Malscher Wirten hatte sich noch kein anderer Bürger in Neumalsch angesiedelt.
Nun wollten sich 93 Familien aus Knielingen, Mühlburg, Liedolsheim, Spöck, Staffort, Eggenstein, Friedrichstal, Linkenheim und Welchneureut infolge der „Teuerung und Übervölkerung zur Auswanderung“ nach Neumalsch entschließen. Doch nur 19 von den 93 Familien konnten das Mindestkapital von 1800 Gulden für eine Ansiedlung vorweisen. Ein weitaus größeres Problem waren die konfessionellen Verhältnisse. Alle 93 Familien waren protestantisch, was den zusätzlichen Bau einer Kirche und eines Pfarr- und Schulhauses erfordert hätte.
Am 13. Juni 1820 wurde dann den Familien die Ablehnung mitgeteilt.
So blieb es bei den drei Malscher Siedlern, die inzwischen alle Wirte geworden waren. Der Kreuzwirt Kastner, der Bärenwirt Augenstein und der Straußwirt Gräßer.
Die Geschäfte gingen schlecht und sie „besuchten, um Einkehr und Gäste zu erhalten, sich wechselseitig selbst“ wie uns ein Bericht schildert.
Nach 1844 mit dem Bau der Eisenbahn kam der Fernverkehr auf der Landstraße fast völlig zum Erliegen. Die Posthalterei wurde aufgehoben und Neumalsch fiel in einen vorläufigen Dornröschenschlaf der weit ins 20.Jh.andauern sollte.
Gerhard Bullinger
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