Die aktuellen Fallzahlen der COVID-19 Infektionen („Corona“) in unserer Gemeinde sind tägliches Gesprächsthema im Ort. Das Virus hat unser bisheriges Leben verändert und teilweise auf den Kopf gestellt. Es hat uns aber auch gezeigt, dass es nicht vor Grenzen, Hautfarbe und Reichtum Halt macht.
Vor genau 100 Jahren wurde Malsch schon einmal von einer Epidemie mit vielen verstorbenen Einwohnern heimgesucht. Auch in dieser Zeit wurden erlassene Vorschriften nicht genügend beachtet. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges im Jahre 1918 traten in Malsch die ersten Fälle der gefährlichen Ruhrkrankheit auf, welche sich im Jahre 1920 zu einer Epidemie erweiterten.
Bei einem Ortsbesuch des Gesundheitsarztes im Auftrag des Innenministeriums Karlsruhe am 7. August 1920 wurde der Versuch unternommen festzustellen, wo die Ursachen der aufgetretenen Ruhrepidemie lagen. Da die ersten Ruhrerkrankungen in den am Federbach gelegenen Häusern auftraten, lag die Vermutung sehr nahe, dass der Federbach durch einen Ruhrkranken verunreinigt wurde und somit der Grund zum Ausbruch der Ruhrepidemie war. Diese Annahme wurde dadurch bestärkt, dass die Einwohner von Malsch nicht selten im Federbach ihre Wäsche reinigten und die Kinder in dem Bach barfuss gingen. Eine weitere Ruhrinfektionsquelle wurde in den bestehenden drei Milchzentralen gesehen, bei denen die Einwohner von Malsch ihre Milch abgaben, um von hier aus an die Nichtselbstversorger verteilt zu werden. Es wurde vermutet, dass mit Ruhrkeimen infizierte Milch, was leicht durch Melken oder durch verunreinigte Milchtöpfe erfolgen konnte, über das Sammelbecken in der Zentrale die Weiterverbreitung der Ruhr begünstigt hatte.
Als dritten Grund wurden die Fliegen ausgemacht, die in großer Zahl vorhanden waren. Die in Malsch praktizierende Ärzte bestätigten, dass größtenteils Ruhrkranke und Gesunde derselben Familie in einem Schlafraum lagen und so die Ausbreitung der Krankheit begünstigten. Die Kranken von Malsch wurden von sieben Ordensschwestern aus Gegenbach gepflegt.
Damit die Leichen bei der damals herrschenden Wohnungsnot zur Vermeidung weiterer Ansteckungen aus den jeweiligen Häusern entfernt werden konnten, hatte der damalige Pfarrer Julius Berberich zugesagt, die Friedhofskapelle als Leichenaufbewahrungsort zur Verfügung zu stellen. Die erste Leichenhalle in Malsch wurde erst 1937 erbaut.
Bis zum 13. September 1920 waren in Malsch an dieser heimtückischen Ruhrepidemie insgesamt 98 Personen verstorben, darunter 23 Schüler. Für diese an der Ruhrkrankheit verstorbenen Malscher Mitbürger wurde ein besonderes Gräberfeld im unteren Bereich des Friedhofes, neben dem damaligen Kinder-Gräberfeld geschaffen.
Heimatfreunde Malsch, Januar 2021
Josef Bechler
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