Im schicksalsschweren Jahr 1945 wohnten wir in der sogenannten „Alten Ölmühle Hitscherich“ im Haus „Am Waldprechtsbach No.1“ heute das Haus der HEG Kühn (Waldrechtsstraße 25).
Zu diesem Anwesen, das aus 4 Häusern (Waldprechtsstraße 25-31) und dem großen gemeinsamen Hof besteht, führte der Zugang über die Totenbrücke am Zusammenfluss von Waldprechts- und Kaufmannsbrunnenbach.
Wir Kinder, wenn wir zur Schule gingen, benutzten aber selten die Brücke, sondern sprangen über die sechs, im Kaufmannsbrunnenbach ausgelegten Steinen. Das ging einfach schneller, denn auf der gegenüberliegenden Seite des Wassers war eine kleine Steintreppe in die Mauer eingefügt, von wo aus man mit wenigen Schritten auf die Hauptstraße gelangte.
Als sich der Krieg dem Ende näherte, wohnten im ersten der vier erwähnten Häuser die 3, schon etwas älteren Fräulein Hitscherich, im zweiten Haus die „Zimmerkaspers Luis“, eine Frau von über 75 Jahren, im dritten Haus „d`Schwone Zille“ (Cyriak Schwan) mit einer kränkelnden Frau sowie ihren 3 Töchtern und deren Kindern. Ihre Männer standen allesamt an der Front. Das vierte Haus endlich, die Ölmühle, war von unserer Mutter mit uns sechs Kinder im Alter von 1 bis 16 Jahren bewohnt.
Wo unser Vater war, wusste keiner. Im Spätjahr 1944 war er zum Volkssturm eingezogen worden und seither waren wir ohne verlässliche Nachricht.
Bei Fliegerangriffen, die immer mehr zunahmen, gingen wir zumeist in unseren Keller. Am Samstagnachmittag vor dem weißen Sonntag gegen 4 Uhr nachmittags wurde durch Artilleriebeschuss das Kirchendach schwer beschädigt.
Es war der letzte Schuss an diesem unheilvollen Tag, der die Kirche St. Cyriak an der nördlichen Seite getroffen hat und alles in dichten Rauch und Staub hüllte.
Neben dem Luftterror der Bombenflugzeuge waren besonders die Angriffe der Jabos bei der Landbevölkerung gefürchtet, denn die nahmen alles was sich bewegte, jeden Bauer auf dem Feld, jeden Fahrradfahrer unter Feuer. Als am 10. April in der nahen Kesselgasse durch Jagdbomberbeschuss und deren Splitterbomben etliche, uns bekannte Menschen, darunter ein 3jähriges Kind zu Tode kamen, schliefen wir im Gewölbekeller des Nachbarhauses, in dem wir uns etwas sicherer fühlen konnten.
Neben den Umgekommenen waren auch zahlreiche Verletzte zu beklagen.
Am Abend vor der Besetzung, es war der 10. April 1945, kamen die letzten deutschen Soldaten, zwei Leiterwägelchen ziehend auf denen sie ihre verwundeten Kameraden gelegt hatten, vom Oberdorf herunter und machten auf der Totenbrücke eine kurze Rast. Wir hatten selbst wenig zu essen, was wir ihnen noch anbieten konnten war Most, den sie dankbar annahmen. Einer der Landser sagte zu uns Kindern: „Noch heute Nacht wird der Feind bei euch sein, es sind Franzosen“.
Uns Kinder schauderte bei diesen Worten denn trotz des kriegsbedingt spärlichen Schulunterrichtes wussten wir doch, dass der Franzose der Erzfeind Deutschlands war. Was werden uns die folgenden Tage bringen, das Ende eines freien Deutschlands?
Die Soldaten zogen dann weiter in Richtung Muggensturm. Ein trauriger Zug, auch uns Kindern beschlich ein banges Gefühl.
Am anderen Morgen, am 11. April, als unsere Mutter gerade aus dem Keller gehen wollte kam sie sofort wieder zurück und sagte tonlos: „Da kommen sie“.
Die Neugier siegte bei uns Kinder über die Angst und wir betraten den Hof und beobachteten etwa zwei Dutzend Mann, die Maschinenpistole im Anschlag, das Dorf herunterkommen und langsam in Richtung Rathaus gehen.
Drei von Ihnen erblickten uns, scherten aus der Gruppe aus und kamen über die Steine des Kaufmannbrunnenbaches auf uns zu. Ein noch sehr junger französischer Soldat, erklärte in fließendem Deutsch, dass die vier Häuser beschlagnahmt seien.
Später entspannte sich zwischen diesem Soldaten und meinem älteren Bruder ein freundschaftliches Gespräch. Er erzählte, dass er aus Metz/Lothringen stamme und während der deutschen Besetzung sogar in der dortigen Hitlerjugend (HJ) gewesen war. Als Beweis zeigte er seine Armbinde mit dem HJ - Abzeichen, die er mit sich führte.
Nachdem die Franzosen sicher waren, dass sich keine deutschen Soldaten mehr im Dorf aufhielten, sammelten sich immer mehr von ihnen auf unserem Hof, holten Tische, Bänke und Stühle aus den Häusern und bauten im Freien eine große Tafel auf.
Sie aßen Schokolade und Brot, das so weiß war wie ich es vorher noch nie gesehen hatte.
Später waren dann an unserem Scheunentor zwei großformatige Landkarten angeschlagen auf denen Malsch und Mörsch rot umrandet waren. Dicke Pfeile zeigten von Völkersbach und dem Mahlberg ausgehend, auf Malsch zu.
Nach und nach zogen immer mehr Franzosen in unser Dorf ein, auch ein gefangener deutscher Landser wurde mitgeführt; allenthalben wurde getafelt, dabei zogen sie alle ihre roten Jakobinermützen auf. Den Wein zu ihrer vorgezogenen Siegesfeier holten sie sich in der Weinhandlung Schindler gegenüber bei der Kirche. In Eimern wurde er beigeschleppt … ?zusammengestohlenen Stallhasen und bedeuteten meinem Bruder diese zu schlachten. Mein Bruder war damals noch keine 15 Jahre alt. Er war aber der Älteste der männlichen Bewohner der 4 Häuser, alle anderen waren im Krieg. Meine Mutter und die Frauen der Nachbarschaft mussten dann die Hasen zubereiten.
Folgende, mir noch bekannte Personen wurden in den Tagen der Besetzung durch Jabobeschuss oder Splitterbomben getötet:
Klara Adam, Mutter von 9 Kindern, Wilhelm Balzer, Hermann Wipfler, Franz Sauer jun. (3 Jahre alt) (alle in der Kesselgasse umgekommen).
Desweiteren durch Artillerie die Elisabeth Fritz „Fritzebecks“, mitten im Dorf; Frau Axtmann und ihre Tochter Ruth hinterm Biergarten.
Ehre ihrem Andenken!
Eugen Heinzler
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Die Elisabeth Fritz, „Fritzebeck“, umgekommen durch Artilleriebeschuß