Wie sehr Ahnenforschung und Kleindenkmale für den heimatkundlich Interessierten in schönem Zusammenhang zu bringen sind soll das Beispiel der Malscher Familien namens „Gräßer“ aufzeigen.
Bei unseren Nachforschungen mehr über die Geschichte der Kreuze auf Malscher Gemarkung in Erfahrung zu bringen sind wir auf ein aufschlußreiches Dokument gestoßen.
Vor etlichen Jahrzehnten hat die überaus verdienstvolle Malscher Heimat- und Familienforscherin Lore Ernst (1889-1961) eine Aufstellung über Herkunft und Werdegang der Familie Gräßer angefertigt. Aber auch auf weitere, seit langem in Malsch ansässige Familien wird darin eingegangen. Teilweise stehen heute noch die, von deren Vorfahren gestiftete Kreuze auf den Malscher Fluren. Diese Dokumentation ist so spannend und interessant geschrieben, daß sie es wert ist, an dieser Stelle fast unverändert wiedergegeben zu werden.
Auch wenn, besonders im zweiten Teil, der genealogische Aspekt zu überwiegen scheint, haben wir uns entschlossen aus Respekt vor der Forschungsarbeit der Lore Ernst, die Abhandlung vollständig wiederzugeben. Auch ist es unsere Überzeugung , daß der Charakter der Arbeit nur in ihrer Gesamtheit authentisch bleibt.
Anmerkungen wurden von uns innerhalb des Textes in Klammer gesetzt.
Hier also die Aufstellung von Lore Ernst:
-Um 1616 waren die Gräßer nach Malsch gekommen und schon 1625 finden wir den HANS GRÄSSER als Stabhalter von Malsch. Diesen verantwortungsvollen Posten hat er gehalten während des ganzen 30-jährigen Krieges 1618-1648 der Malsch beinahe entvölkerte und das blühende alte Dorf in einen Trümmerhaufen verwandelte.
HANS GRÄSSER war der Erste, dem der Markgraf die Stadtmühle als Erblehen verlieh und mit dieser Verleihung auch das schöne Wappen, das uns auf dem Kreuz vor der Kirchentür erhalten blieb.
Es zeigt ein Mühlrad, darüber 2 Löwen, die eine Krone tragen, wohl als Zeichen, daß die Mühle ein herrschaftliches Lehen war.
Das Geschlecht hatte aber auch großen landwirtschaftlichen Besitz, so daß auch die Söhne die nicht Müller wurden, wie HEINRICH GRÄSSER, der Vater von ANNA MARIA GRÄSSER, ein gutes Fortkommen als Handwerker oder Bauern hatten.
Auch ANNA MARIA GRÄSSER hatte ihrem Ehemann JOHANNES HIRTH, Schäfer, einige schöne Grundstücke in die Ehe mitgebracht; der wertvollste Besitz aber war der „Große Garten“ entlang der Ambertsgasse (heute Fasanenstraße) der lt. einer Güterbeschreibung des Jahres 1723 dem HEINRICH GRÄSSER, ihrem Vater gehörte. In diesem Garten baute das junge Paar ein Haus und noch heute trägt der Eckbalken den Namen des Erbauers JOHANNES HIRTH (Fasanenstraße 4).
JOHANNES HIRTH stammte vom Ehepaar ANDREAS HIRTH und MARGARETE geb. SENGER aus dem Murgtal; Ottenau und Rotenfels. Er wurde Bürger von Malsch 1753 nach der Heirat mit MARIA ANNA GRÄSSER, der jungen Witwe.
Eine genaue Sippenfolge ist nicht festzulegen, da die Malscher Kirchenbücher erst 1730 beginnen.
Um diese Zeit mögen GEORG GRÄSSER und seine Frau MARGARETE geheiratet haben und schon vor 1730 wurde ihr Sohn JOHANNES GRÄSSER geboren. Er war ein kleiner Bauer und da er pünktlich seine Steuern zahlte, konnten wir nicht viel von ihm in den Akten finden.
Er heiratete am 27.11.1757 die KATHARINA ZIMMER, eine der vielen Töchter des Gerichtsmannes MARTIN ZIMMER. Am 12.1.1767 wurde ihm ein Sohn ANTON GRÄSSER geboren, der den Beruf eines Schusters ergriff. Als Handwerker kam Geld ins Haus, das bei den Bauern so rar war und deshalb hatte er auch eine größere Möglichkeit eine vermögende Frau zu bekommen.
Mitten in den Wirren der Revolutionskriege heiratete er am 4.6.1792 die CHRISTINE KNAM, die Tochter des Müllers JOSEF KNAM und der KATHARINA geb. GRIESINGER:
JOSEF KNAM war der dritte Müller aus dem Geschlecht der Knam, der auf der heutigen „Zimmermühle“ saß (Am Kaufmannsbrunnen). Etwa 1720 war sie von dem Schultheiß THOMAS PELZER erbaut worden auf der sogenannten Mühlwiese, wo schon vor vielen Jahrhunderten eine den Grafen von Eberstein gehörenden Mühlen gestanden hatte.
Das Mühlrecht blieb erhalten und JOHANNES KNAM, der Großvater des JOSEF KNAM übernahm die Mühle. Später ging sie in das Eigentum der Familie über.
Auf diesen ersten JOHANN KNAM folgte sein Sohn mit demselben Namen, der mit der Tochter des Stadtmüllers JOHANNES GRÄSSER verheiratet war, des gleichen JOHANNES GRÄSSER, der das Kreuz vor der Kirche stiftete.
Mit dieser Heirat war wohl auch das Geld in die Mühle gekommen, das den späteren Kauf ermöglichte. Denn die Knam scheinen mittellos nach Malsch gekommen zu sein, als der erste JOHANNES KNAM die Mühle übernahm und dazu das Bürgerrecht erhielt.
Die Mutter der CHRISTINE KNAM stammte aus dem Geschlecht der Griesinger. Ihr Großvater war der Schmied JOHANNES GRIESINGER, ein angesehener und vermögender Mann, der lange Jahre Gerichtsmann war, wie sein Vater HANS-JÖRG. Die Großmutter der CHRISTINE KNAM aber war die Tochter des Sternenwirts ESAIAS KASTNER, der um 1720 das damals fast neue Sternenwirtshaus kaufte, es von Geschlecht zu Geschlecht vererbte und das noch heute im Besitz der Nachkommen des alten ESAIAS KASTNER ist.
Anmerkung! Er war eine wichtige Persönlichkeit in jener Zeit, die Sage erzählt sogar, daß er in Ostindien war. Auf alle Fälle aber wurde in seiner Amtszeit als Gerichtsmann nichts ohne ihn gemacht, dessen Rat und Gewandtheit dem Dorf zugute kam. Es mag im oberen Sternensaal eine schöne Hochzeit gewesen sein, als die beiden angesehenen Familien Hochzeit feierten. In Malsch in jener Zeit war das Spruchwort daheim „Wo viel ist, will viel hin!“.
Stets verheirateten die Gerichts- und Ratsleute ihre Söhne und Töchter untereinander. Ihre Söhne und Schwiegersöhne wurden auch wieder Gerichtsleute, was damals wohlhabend bedeutete, heißt es doch in den Akten einmal: „Man nehme die wohlhabendsten Männer zu diesem Amt, weil sie etwas von Geld verstehen.“ Aber in Wirklichkeit hielt man eng zusammen und lies nicht gern ein armes Bäuerchen in den Kreis.
Der Enkel der CHRISTINE KNAM war der Schuster FRANZ KARL GRÄSSER, der 1836 geboren wurde. Er heiratete 1866 GERTRUD BECHLER, die Tochter des Maurermeisters VALENTIN BECHLER.
Die Bechler sind ein altes Geschlecht, wohl eines der ältesten in Malsch. Schon 1380 wurde ein HANS BECHLER erwähnt. Sie kamen wohl 1318 mit dem Kloster Herrenalb nach Malsch und fast alle Geschlechter jener Zeit sind erloschen, durch die Kriege vernichtet. Die Bechler aber blühen noch heute.
Die Mutter des VALENTIN BECHLER führt uns in das Geschlecht der Mayer. Diese MONIKA MAYER geb. 1787 war die Tochter des Wundarztes MAYER und seiner Frau MARIA ANNA KASTNER, die wieder aus der Sternenwirtssippe stammte, denn ihr Vater war der ANTON KASTNER, ein Sohn vom alten ESAIAS KASTNER.
ANTON KASTNER hatte den Sternen übernommen, war ebenfalls Gerichtsmann, wie auch sein Sohn JOHANNES, der ihm als Nachfolger auf dem Sternen folgte und ein Bruder der MARIA ANNA KASTNER verheiratete MAYER war.
Als das „junge Paar“ 1785 heiratete wurde der Bruder der Braut Zeuge und zeichnete als Stabhalter von Malsch.
Der Wundarzt JOSEF MAYER war ein Sohn aus 2-ter Ehe des Wundarztes MICHAEL Mayer. Ein Wundarzt war damals der Arzt des Dorfes. Er richtete gebrochene ein, lies zur Ader, zog Zähne, usw.. MICHAEL MAYER hatte mit dem Geld seiner ersten Frau das Badhaus erworben, das schöne Fachwerkhaus am Ende des Pfarrgäßle. Dieses Badhaus war ein herrschaftliches Lehen und war sehr begehrt, da der „Bader“ fronfrei und frei von Einquartierung war; in einem Jahrhundert der vielen Kriege ein wichtiges Recht.
Reich wurde MICHAEL MAYER nicht, dazu hatte er zu viele Kinder und die Einnahmen waren nicht sehr groß. Gebadet wurde in jener Zeit im Badhaus nicht mehr. Um eine Stütze im Alter zu haben, lies er seine beiden Söhne FRANZ, aus 1-ter Ehe, und JOSEF, aus 2-ter Ehe, zu Wundärzten ausbilden.
Als der Vater alt wurde wollte er seinem Sohn JOSEF das Badhaus übergeben, mit dem Wunsch, er möge noch für die kleinen Geschwister sorgen. Aber FRANZ aus 1-ter Ehe beanspruchte das Haus, weil es mit dem Geld seiner Mutter gekauft war. Es gab böse Streitereien in der Familie, aber FRANZ setzte sich durch.
Auch JOSEF MAYER lies sich in Malsch als Wundarzt nieder und heiratete die nicht mehr junge MARIA ANNA KASTNER
Soweit die Worte von Lore Ernst. Man kann nur erahnen wieviel Arbeit das Studium der alten Akten und Kirchenbücher gemacht hat.
Wir aber hoffen, daß dieser
Aufsatz nicht nur bei den genannten Familien Interesse gefunden hat und wollen Sie auffordern, beim nächsten Besuch von St. Cyriak das „Gräßerkreuz“ vor dem Eingang der Kirche einmal näher zu
betrachten. Auch soll auf weitere Feld- und Flurkreuze aufmerksam gemacht werden die, wie eingangs schon erwähnt, von den Vorfahren einiger im Text genannten Malscher Familien gestiftet worden
sind.