Das bewegte Leben des heiligen Nepomuk in Malsch
Ein Bilderbogen aus gar nicht so alten Zeiten
„Die Wanderungen des hl. Johannes von Nepomuk – eine Folge verkehrsbedingter Zwänge oder ein Vorgang mit tieferer Bedeutung?“
(Wilhelm Wildemann, Ehrenbürger von Malsch, - Malscher Antlitz, 1987)
Johannes von Nepomuk, geboren zwischen den Jahren 1340 und 1350 im westböhmischen Pomuk, nahe der Stadt Pilsen, wirkte ab 1370 als Kleriker in der Prager Diözese. Er predigte in der Teynkirche zu Prag, betreute die deutschen Kaufleute in der Goldenen Stadt und arbeitete nebenbei noch als Notar.
Ob er tatsächlich Beichtvater der Königin Johanna, der Ehefrau des unberechenbaren Königs Wenzel von Böhmen war, ist nicht geklärt. Tatsache ist, dass er ab 1384 in die Kämpfe und Auseinandersetzungen zwischen König und Erzbischof verwickelt war, und bei einem Treffen der beiden Parteien am 20.3.1393 zusammen mit anderen kirchlichen Würdenträgern gefangengenommen wurde.
Während alle anderen Festgenommenen noch in derselben Nacht freikamen, hat man nach schweren Folterungen Johannes von Nepomuk von der Moldaubrücke in den Hochwasser führenden Fluss gestürzt und ertränkt.
Schon bald nach seinem gewaltsamen Tode setzte in Böhmen die Verehrung für seine Person ein.
Das Volk, das unter einem unversöhnlichen König Schlimmes zu erdulden hatte, sah in ihm einen Mittler und Fürsprecher zu Gott.
Im Jahre 1729 wurde Nepomuk durch Papst Benedikt XIII. zum Heiligen ernannt.
Markgräfin Augusta Sybilla, die ihre Kindheit auf den böhmischen Besitzungen der Herzöge von Sachsen-Lauenburg verbracht hatte, war eine große Verehrerin des Johannes von Nepomuk und wohnte der Feier der Konsekration in Rom bei. Sie war es auch, die beim Bischof von Speyer erwirkte, dass das Gedenken an ihn als Diözesefest in der Markgrafschaft Baden gefeiert wird.
Die ersten Statuen mit der Darstellung des heiligen Nepomuk hat man auf ihre Veranlassung hin an der Murg und der Alb aufgestellt.
Die außerordentliche Beliebtheit, welche Sybilla in der Markgrafschaft genoss, führte dazu, dass viele ihrem Beispiel folgten und so entstanden in der ganzen Grafschaft in großer Zahl weitere Standbilder des Brückenheiligen.
So weit den Autoren bekannt, ging bis zum heutigen Tag keine dieser Nepomukstatuen verloren.
Im nachfolgenden Bilderbogen wollen wir die mehr oder weniger freiwillige Wanderung des Malscher „Sankt Hannes“ im Laufe der letzten 70 Jahre mit einigen alten, historischen Aufnahmen aus dem Archiv der Heimatfreunde Malsch dokumentieren. Der Umfang des Textes wird sich in einem selbst auferlegten bescheidenen Umfang halten. Das ist Absicht, denn der Leser mag bei dieser Reise in die Vergangenheit seine eigenen Eindrücke gewinnen und seine Schlüsse ziehen.
Unsere Statue des heiligen Nepomuk, von den Malschern bald liebevoll „Sankt Hannes“ genannt, wurde im Jahre 1736 vom Küfnermeister Martin Kunz gestiftet und vor dem damaligen Rathaus in der Hauptstrasse, nahe des offenen Baches aufgestellt.
Im Kriegsjahr 1941 begann seine Wanderung durch das Dorf. Damals wurde damit begonnen, die Hauptstrasse auszubauen und man beschloss den Schutzheiligen auf der Totenbrücke aufzustellen.
Als man sich 1959 mit der Verdohlung des Waldprechtsbaches der Totenbrücke näherte musste auch Nepomuk weichen. Wie auf der Flucht wurde er zur Adlerbrücke versetzt, wohl wissend, dass auch dieser Standort nicht von langer Dauer sein würde, denn die Schließung des Baches kroch mit Bagger und Bulldozer vom Oberdorf herunter auf ihn zu.
Sechs kurze Jahre waren ihm dort am Teilklotz vergönnt. Fortschritt und Modernisierung hatten ihr Tempo gesteigert und Sankt Nepomuk musste erneut seinen Platz verlassen, diesmal ins Grüne, an den Federbach.
Dort schien er sich nicht unwohl gefühlt zu haben, steht doch nur wenige Meter von ihm entfernt ein schönes Feldkreuz. Vielleicht hielt er des Nachts Zwiesprache mit dem Gekreuzigten. Wer will es wissen?
Vielleicht hat er ihm seinen Traum erzählt, eines Tages wieder inmitten seiner Malscher stehen zu dürfen - und vielleicht ihren Kinder zusehen zu können, wie sie mit hochgekrempelten Hosenbeinen barfuss im Bach stehen und Kieselsteine aufklauben.
Und vielleicht hegt er immer noch die Hoffnung, den Einen oder Anderen in seiner rastlosen Geschäftigkeit innehalten zu lassen und daran zu erinnern, dass es in einer geschwätzigen Welt auch eine Verschwiegenheit gibt. Vielleicht…
Die Frage, die in diesen Tagen manche Bürgerin und manchen Bürger aus Malsch bewegt, lautet: Was wir nun mit dem „Malscher Sankt Hannes“? Was geschieht mit dem Schutzheiligen der Priester, Flößer und der Müllersleut. Wird er künftig unser Dorf an einem geeigneten Platz vor Unbill und Wassernot bewahren, und werden unsere Kinder und Enkel noch den 300. Jahrestag seiner Aufstellung feiern können?
Am 16. Mai übrigens begeht die Kirche seinen Festtag. Auch dieser Tag ist ein Geschenk der Augusta Sybilla, Markgräfin zu Baden, die unserer Heimat diesen Brückenheiligen aus Böhmen vertraut gemacht hat.
Eugen Heinzler
Gerhard Bullinger