Zur Erinnerung an die 70. Wiederkehr des antijüdischen Pogroms von 1938, bei dem auch die Malscher Synagoge zerstört wurde, werden die Heimatfreunde Malsch e.V. mit der Ausstellung einen Teil der Malscher Geschichte präsentieren, die über 200 Jahre das Gesicht des Dorfes mitgeprägt hat.
Dabei sind teilweise spektakuläre Neuentdeckungen zu vermelden, die in Archiven, in Kellern und auf Dachböden geschlummert haben und in eindrucksvoller Weise eine lange gemeinsame Geschichte aufzeigen.
Der Kampf um das Bürgerrecht der Juden, ihr Engagement im Gemeinderat und bei der Feuerwehr, sowie die politische Ausgrenzung nach 1933 werden ebenso gezeigt, wie die Gründung und das Anwachsen der jüdischen Gemeinde mit Gotteshaus, Judenbad für rituelle Waschungen und Schule. Gerade in Vereinen und im gemeinsamen Kriegsdienst wurde vom 19. Jahrhundert bis 1934 (!) die gelungene Integration in Malsch gelebt.
Dennoch erlitten die Malscher Juden in der Nazizeit das gleiche tragische Schicksal wie ihre Glaubensgenossen anderswo. Ihr Weg in die Flucht und allzu oft in den Tod, kann anhand von Filmdokumenten und Briefen anschaulich vollzogen werden.
Die Ausstellung eröffnet uns einen Blick in die Vergangenheit und ist uns zugleich Mahnung für die Gegenwart. Die Erinnerung an diesen Teil der Malscher Geschichte soll künftig deutlich sichtbar bleiben, denn Menschenrechte, Menschenwürde und demokratische Grundrechte sind unverzichtbare Elemente unserer Gesellschaftsordnung. Dazu leistet diese Ausstellung einen wichtigen Beitrag.
Nach der Ausstellungseröffnung wurde folgendes im Malscher Gemeindeanzeiger veröffentlicht:
Ein Stück von uns
Der große Sitzungssaal im Malscher Rathaus war so gut gefüllt wie schon lange nicht mehr, als Bürgermeister Elmar Himmel am Wochenende die Ausstellung „Jüdisches Leben in Malsch“ eröffnete. Er
zitierte eine Textpassage aus dem Buch „Ich bin ein Stern“ von Inge Auerbacher und wies darauf hin, dass die Deportation der badischen Juden ins Konzentrationslager Gurs im Oktober 1940 das Ende
der jüdischen Gemeinde in Malsch bedeutete. Davor allerdings, so unterstrich er, seien diese 200 Jahre lang ein ganz selbstverständlicher Teil Malscher Lebens gewesen. Von einer vorbildlichen
Emanzipation der Juden könne man ohne Vorbehalte sprechen, man habe die größte jüdische Gemeinde im Landkreis Karlsruhe gehabt. Die jüdischen Mitbürger hätten wichtige und anerkannte Geschäfte
wie Gastronomie, Vieh- oder Tabakhandel betrieben, seien in den Gremien, bei der Feuerwehr und in den Vereinen tätig gewesen. Die Arbeiten an der Ausstellung, deren Vorbereitungen bereits vor
vier Jahren vom Verein der Heimatfreunde begonnen worden waren, belegten die Geschichte der Malscher Synagoge, ebenso die
Existenz des jüdischen Bades und der jüdischen Schule, in die zeitweise bis zu 60 Schüler gingen. Dokumente zum jüdischen Leben in Malsch seien dank der unermüdlichen Suche der Heimatfreunden, denen
er für ihre Mühen ausdrücklich dankte, im Malscher Gemeindearchiv, in den Protokollbüchern der Freiwilligen Feuerwehr, im Karlsruher Landesarchiv und im Privatbesitz vieler Malscher Bürger gefunden
worden. Gern habe er die finanziellen Hilfen zur Realisierung der Ausstellung bereitgestellt und mit seinem Mitarbeiter Klaus Krone dazu einen engagierten Mitwirkenden an den vielfältigen Arbeiten.
Himmel dankte allen Beteiligten, die das Zustandekommen der Ausstellung ermöglicht haben, wies darauf hin, dass die Ergebnisse der jetzigen Ausstellung die Grundlage für den dritten Band der von den
Heimatfreunden herausgegebenen Reihe des „Malscher Historischen Boten“ bildeten und dass ein Teil der Exponate bereits für die große Landesausstellung 2009 gebucht sei.
Dr.
Clemens Rehm vom Landesarchiv Baden-Württemberg, der die Sichtung der für die Ausstellung zusammengetragenen Dokumente und ihre wissenschaftlich-didaktische Aufbereitung begleitet hatte, beschrieb in
seiner Einführung das vom Architekten Daniel Libeskind entworfene Jüdische Museum in Berlin und dessen „Leerräume“. Sie stünden für „das nicht mehr Darstellbare, das Verlorene, für das, was nach dem
Mord an den Juden, dem Holocaust, einfach nicht mehr da ist…“. Dies sei die eine Erkenntnis aus dem reichhaltigen, von den Malscher Heimatfreunden gesammelten Ausstellungsmaterials. Das andere sei
die Faszination über die Vielfalt, in der sich über Jahrhunderte hinweg jüdische Mitbürger in das dörfliche Leben eingebracht hätten. Rehm wies auf die
philosophische Vorstellung von den zwei Toden durch Sterben und Vergessen hin und leitete daraus den Anspruch für die Malscher Ausstellung ab: „Ein Stück von uns“ müsse auf diesem Wege wenigstens museal dargestellt werden.
Am Beispiel der ursprünglich aus Elsaß-Lothringen stammenden, möglicherweise sogar schon seit dem 17. Jahrhundert in Malsch ansässigen Familie von Isidor und Karolina Loeb zeichnete der Vorsitzende der Malscher Heimatfreunde, Josef Bechler, beispielhaft die Entwicklung einer jüdischen Familie in Malsch nach. Sie reichte über die Gewerbetätigkeit als Bäcker, Gastronomen, Landwirte und Viehhändler über die Tätigkeit in der Feuerwehr, den Erwerb von Grundbesitz, die Teilnahme am 1. Weltkrieg. Bechler beschrieb im Detail die die wirtschaftlichen Beschränkungen nach 1933, die Aberkennung der Bürgerrechte, die Verfolgung und Vernichtung der Juden. Drei ehemalige jüdische Malscher Mitbewohner seien noch am Leben, darunter Friedrich Loeb, ein Enkel von Isidor Loeb in New York. Von ihm habe er, Bechler, in einer Reihe von Telefonaten eine Menge an Informationen erhalten. Der Einladung zur Ausstellungseröffnung im Malscher Rathaus hatte auch er aus gesundheitlichen Gründen nicht folgen können.
Stimmungsvoll und thematisch
sehr gut abgestimmt wurde die Ausstellungseröffnung musikalisch begleitet von Winfried Uhrig und Freunden. Die in jiddisch vorgetragenen Lieder, die teilweise in den Ghettos von Lodz und Warschau
entstanden sind, kündeten von der Sehnsucht der Menschen, der Liebe zu den Kindern und der Hoffnung auf einen Frühling.