Trachtenausstellung im Rathaus
Unter dem Motto „Tracht der Heimat – Heimat der Tracht“ zeigen die Heimatfreunde anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens eine Wanderausstellung des Südwestdeutschen Gauverbandes der Heimat- und Trachtenvereine im Malscher Rathaus. Zu sehen sind 18 landsmannschaftliche Trachten aus Malsch, Bad Herrenalb, Sankt Georgen und Sankt Peter sowie aus Württemberg.
In seiner Begrüßung wies Bürgermeister Elmar Himmel darauf hin, dass die Trachten einst als Sonntagsstaat beim Kirchgang oder bei Festen getragen wurden. Neben der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Dorf oder einer Volksgruppe sei mit der Tracht auch der Wohlstand und Status der Träger zum Ausdruck gebracht worden.
Auf den Zusammenhang zwischen Tracht und Heimat ging bei der Vernissage der von der Volksbank Ettlingen unterstützten Ausstellung auch der Vorsitzende der Heimatfreunde Malsch, Thomas Schönknecht, ein. „Trachten machen Heimat sichtbar und Trachten sind auch gar nicht unmodern“ betonte er. Dass man Heimat auch verlieren könne, habe die 2006 von den Heimatfreunden im Rathaus gezeigte Schau „Flüchtlinge, Heimatvertriebene, Neubürger“ sowie die 2008 der Gemeinde geschenkte „Wischauer Tracht“ verdeutlicht. Nach Schönknechts Meinung habe Heimat auch im Zeitalter hoher beruflicher Mobilitätsanforderungen Zukunft und bedürfe der Heimatpflege, wie sie von Trachtengruppen und Heimatvereinen betrieben werde.
Nach der Definition des stellvertretenden Vorsitzenden des deutschen Trachtenverbandes, Gunter Dlabal, ist eine Tracht eine Kleidung aus einer bestimmten Region, die zu einer ganz bestimmten Zeit von einem ganz bestimmten Stand getragen wurde. Am Beispiel der reich verzierten Trachten aus der Hohenlohe erläuterte er, dass sich aus der damals getragenen Kleidung auch ein Stück Sozialgeschichte ableiten lasse. So hätten sich die Hohenloher ihre teuren Trachten nur leisten können, weil sie ihr Vieh bis nach Südfrankreich getrieben hätten, um es dort ohne Zwischenhändler zu verkaufen.
Umrahmt wurde die Vernissage von den Auftritten der Volkstanzgruppe „D' Tegernseer“ aus Karlsruhe, die mit zwei Trachtenträgerinnen aus Bad Herrenalb zur Akkordeonmusik von Hilde Heck aus Forchheim drei Tänze vorführten. Zu sehen ist die Schau bis zum 9. Dezember im Malscher Rathaus.
Aus GAZ 48-2012
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Von den Städtepartnerschaften mit Sézanne oder Dinuba hat man in Malsch in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder Kenntnis nehmen können, die Freundschaft mit dem polnischen Syców ist noch jung, findet aber in der öffentlichen Wahrnehmung durchaus statt. Was aber hat Malsch mit dem mährischen Städtchen Wischau (heute: Vyskov), einer ehemaligen deutschen Sprachinsel in der Nähe von Brünn zu tun?
Wer in diesen Tagen im Rathaus zu tun hat und das Foyer des Hauses betritt, der kann eigentlich an der herrlichen Tracht, die eine Schaufensterpuppe im Eingangsbereich ziert, nicht unbeachtet vorbeigehen. In Rot, Weiß und Blau als dominierenden Farben gehalten, stellt sie die alltägliche Frauenkleidung einer deutschen Sprachinsel im heutigen Tschechien dar. Im August 1946 wurde sie – nicht als besonderer Festtagsschmuck, sondern als Teil von Alltagskultur - zusammen mit anderen Habseligkeiten in einer Truhe nach Malsch mitgebracht und gehörte der aus Wischau stammenden Familie Kriwy, die gemeinsam mit mehr als 1.300 Flüchtlingen und Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg in Malsch eine neue Heimat fand. Maria Hitscherich, geb. Kriwy, berichtete, ihre Mutter habe eine solche Tracht bis zu ihrem Tode 1977 regelmäßig getragen und sei auch darin beerdigt worden. Die Tracht, die bereits Teil der 2006 im Rathaus stattgefundenen, sehr erfolgreichen Ausstellung der Heimatfreunde über die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge in Malsch gewesen war, jetzt der Gemeinde zu schenken, sei auch im Hinblick auf die verdienstvolle Arbeit der Heimatfreunde folgerichtig. Letztlich sei diese Geste auch ein Zeichen für das „Angekommensein“ in der „neuen“ Heimat. Verbunden ist es, so räumt Maria Hitscherich ohne zu zögern ein, „mit einem anrührenden, persönlichen Gefühl“.
Bei einer kleinen Feierstunde am vergangenen Montag im Foyer des Rathauses bedankte sich Bürgermeister Elmar Himmel bei den beiden Familien von Juliane Werner und Maria Hitscherich für das großzügige Geschenk. Er zeichnete noch einmal den Weg der Heimatvertriebenen nach und stellte auch ihre Bedeutung für die Veränderung der dörflichen Kulturlandschaft heraus. In ihrem Gepäck hätten die Flüchtlinge ja nicht nur das lebensnotwendigste mitgebracht, sondern natürlich auch ihre Kultur, ihren Dialekt, ihre Bräuche. Und so sei die jetzt im Rathaus an zentraler Stelle präsentierte Wischauer Tracht auch ein Symbol für die Eingliederungsleistung der Flüchtlinge, die schon bald nach ihrer Ankunft begonnen hatten, sich in den örtlichen Vereinen oder den Kirchen wieder zu betätigen. Himmel verwies bei dieser Gelegenheit auf die entsprechenden Verdienste der Ortsgruppe Malsch des Bundes der Vertriebenen, die zum 31. März aufgelöst worden ist und deren langjährige Vorsitzenden Frau Precechtel und Herr Schober ebenfalls anwesend waren. Der Dank des Bürgermeisters galt bei dieser Gelegenheit auch den Heimatfreunden Malsch für ihr engagiertes Wirken zur Aufarbeitung der Malscher Geschichte und insbesondere für die Ausstellung und die Publikation zu den Heimatvertriebenen. Die fruchtbare Zusammenarbeit, die sich im September oder Oktober dieses Jahres mit einer weiteren Ausstellung im Rathaus fortsetzen wird, habe sich bei der Präsentation der Wischauer Tracht so gestaltet, dass die Gemeinde die Vitrine beschafft habe, der Verein kaufte die notwendige Schaufensterpuppe und besorgte die Dokumentation.
Der Vorsitzende der Heimatfreunde Malsch, Josef Bechler, erinnerte in einem sehr persönlichen Grußwort an seine Schulzeit, als er sich, wie viele andere Malscher Bürger, plötzlich an in Malsch nicht geläufige Familiennamen wie etwa Kriwy, Waschek, Duchac oder Mahovsky gewöhnen musste, genauso an ein unbekanntes Gemüse, das einem komplett neu entstandenen Wohnquartier im Volksmund den Namen „Paprikaviertel“ eintrug. Er lobte einmal mehr die ungeheure Integrationsleistung, die Alt- und Neubürger in jener Zeit erbracht hätten und verwies darauf, dass deswegen die Wischauer Tracht im Rathaus nicht nur ein höchst interessantes Zeugnis regionaler deutscher Kultur sei, sondern auch Symbol für die aus seiner Sicht geglückte Eingliederung von rund einem Drittel neuer Malscher Mitbewohner unter schwierigsten Bedingungen.
Nach der offiziellen Übergabe der Tracht an die Gemeinde hatten die beiden Schenkenden Juliane Werner und Maria Hitscherich zahlreiche Fragen der Besucher zu beantworten. Dabei ging es um das Alter der Tracht ebenso wie um Details zum Trageanlass und zur Waschbarkeit – Fragen, die die beiden Frauen mit viel Geduld beantworteten. Frau Hitscherich hat auch erzählt, dass ihre Mutter in einer solchen Tracht auf eigenen Wunsch beerdigt wurde. Es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Malscher Bürger bei ihrem Besuch Freude an dem wertvollen Geschenk und seiner Symbolkraft haben werden.
ts
Quelle: Gemeindeanzeiger Malsch, Nr. 15 vom 10. April 2008