Die Geschichte vom M ä l s c h e r B ä r b e l e
In Mundart erzählt
Die Geschichte vom „Malscher Bärbele“, wie sie schon in
Wilhelm Wildemanns Buch „Malscher Leben“ (Seite 33) zu lesen ist. Im folgenden ist diese „Gschiechd“ in etwas verkürzter Form und der Malscher
Lautschrift noch mehr angepasst:
Des war schu vor iwwor deihunnordfuchzig Johr, im Dreißig-
Das war schon vor über dreihundertfünfzig Jahren, im Dreißig-
jährigä Krieg, immä gonz kaldä Windor. D’Leid hänn
jährigen Krieg, in einem ganz kalten Winter. Die Leute haben
schdännig in Ongschd unn Schreggä glebt; unn s’isch ä
ständig in Angst und Schrecken gelebt; und es ist eine
große Hungorsnod gwä. Do ischs oft bassierd, dass Solda-
große Hungersnot gewesen. Da ist es oft passiert, dass Solda-
dä, Freind wie Feind, bleddslich s’Dorf iwworfallä hänn,
ten, Freund wie Feind, plötzlich das Dorf überfallen haben,
um z’blindorä unn z’holä, was nummä meglich war.
um zu plündern und zu holen, was nur möglich war.
Deswäggä sin d’Leid, soball d’Schdurmglogg gliddä hat,
Deswegen sind die Leute, sobald die Sturmglocke geläutet hat,
nix wie uff unn dävu, mimm nodwännigschdä Zeigs immä
nichts wie auf und davon, mit dem notwendigsten Zeugs in einem
sagg uffm Buggl. Wänn se noch Zeit ghadd hänn, isch au
Sack auf dem Rücken. Wenn sie noch Zeit gehabt haben, ist auch
noch s’Vieh midgnummä worrä, nous in d’Schlupflechor
noch das Vieh mitgenommen worden, hinaus in die Schlupflöcher
im Bergwall.
im Bergwald.
S’Bärbälä isch domols ugfähr zeh Johr ald gwä unn hat
Das Bärbele ist damals ungefähr zehn Jahre alt gewesen und hat
schu long kei Eldorä mäh ghat. Wahrscheinlich isch’s, wu’s
schon lange keine Eltern mehr gehabt. Wahrscheinlich ist es, wo es
mol widder grad Schdurm gliddä hat, bei Bekonndä gwä.
mal wieder gerade Sturm geläutet hat, bei Bekannten gewesen.
Des hänn sei Pflegeeldorä halt gmoint. Dort war’s awwor
Das haben seine Pflegeeltern halt gemeint. Dort war es aber
nedd, warum au immor!?
nicht, warum auch immer!?
Wie g’sagt, alle sinn se schnellschdäns abb, d’Hohlbergschdaig
Wie gesagt, alle sind sie schnellstens ab, die Hohlbergsteige
nous in ihnä Vorschdegg. Äm Bärbälä sei Pflegevaddor hat
hinaus in Ihr Versteck. Dem Bärbälä sein Pflegevater hat
sichor dängt, s’kommt jo mit onnorä Leid, awwor bei dännä
sicher gedacht, es kommt ja mit anderen Leuten, aber bei denen
isch’s halt nedd gwä.
ist es halt
nicht gewesen.
Was hat’s Bärbälä jetz wahrscheinlich so gonz älloi gmoocht?
Was hat das Bärbele jetzt wahrscheinlich so ganz allein gemacht?
Ich dängg mor halt, daßäs sich solong uffm Haischdall vor-
Ich denke mir halt, dass es sich auf dem Heustall ver-
schdegglt hat, bis d’Soldadä widdor fort gwä sinn. Nood erschd
steckt hat, bis die Soldaten wieder fort gewesen sind. Dann erst
hats sich rousdrout ousäm Hous unn isch mudorseeläälloi ford
hat es sich herausgetraut aus dem Haus und ist mutterseelenallein fort
Richdung Bergwall. Dort isch des Maidl awwor nedd okommä.
Richtung Bergwald. Dort ist das Mädchen aber nicht angekommen.
Alle hänn se jetz Ongschd griegt ums Bärbälä. Wu se sich nood
Alle haben sie jetzt Angst bekommen um das Bärbele. Wo sie sich dann
noch zwai, drei Dääg ändlich widdor ins Dorf zriggdrout hänn,
nach zwei, drei Tagen endlich wieder in das Dorf zurückgetraut haben,
hänn se immä Hohlweg Bludschpurä, än Fetzä vummä Klaid
haben sie in einem Hohlweg Blutspuren, einen Fetzen von einem Kleid
unn änn Schuh vumm Bärbälä gfungä. Jetz hänn ses gwißt:
und einen Schuh vom Bärbele gefunden. Jetzt haben sie es gewusst:
S’Bärbälä isch vunn Welf ogfallä, vorrissä, unn vor Hungor
Das Bärbele ist von Wölfen angefallen, zerrissen, und vor Hunger
gfrässä worrä.
gefressen worden.
Do sinn se gschdonnä, z’erschd schdumm vor Schmerz; des
Da sind sie gestanden, zuerst stumm vor Schmerz; das
Maidl haddännä so onn du. Awwor nood uff oimol hadd se
Mädel hat ihnen so leid getan. Aber dann auf einmal hat sie
d’Wud packt! Unn gschrouä hänn se gegor dä Pflegevaddor,
die Wut gepackt! Und geschrieen haben sie gegen den Pflegevater,
er hedd oifach bessor aachdho miesä uffs Bärbälä. Unn so
er hätte einfach besser Acht haben müssen auf das Bärbele. Und so
ischs a kei Wunnor gwä, dass dä Kastnor Wernor, so hat der
ist es auch kein Wunder gewesen, dass der Kastner Wernher, so hat der
arm Däifl ghaißä, uffm nägschdä Grichtsdag zuorä safdigä
arme Teufel geheißen, auf dem nächsten Gerichtstag zu einer saftigen
Schdroof vordonnord worrä isch. Awwor des hat dämm
Strafe verdonnert worden ist. Aber das hat dem
armä Bärbälä nimme gholfä.
armen Bärbele nicht mehr geholfen.
(In „Schriftdeutsch“ sinngemäß nachzulesen in der „Geschichte des Dorfes Malsch“ von Lore Ernst)