Vor 75 Jahren, am 3. Februar 1943 um 5 Uhr brachte der Rundfunk die Meldung:
„Der Kampf um Stalingrad ist zu Ende. Ihrem Fahneneid bis zum letzen Atemzug getreu, ist die 6. Armee unter der vorbildlichen Führung des Generalfeldmarschalls Paulus der Übermacht des Feindes und der Ungunst der Verhältnisse erlegen. Ihr Schicksal wird von einer Flakdivision der deutschen Luftwaffe, zwei rumänischen Divisionen und einem kroatischen Regiment geteilt.“
Diese Meldung bedeutete für viele Malscher Familien großen Schmerz und große Ungewissheit. Wussten sie doch, dass im Kampf um Stalingrad ihre Angehörigen teilgenommen hatten. Die unglaubliche Zahl von 20 Malscher Mitbürger sahen ihren Heimatort nicht mehr.
Von den zwischen 250 000 und 300 000 deutschen Soldaten der 6. Armee, die in Stalingrad von der russischen Armee eingekesselt wurden, sind noch viele vor der Kapitulation am 31. Januar 1943 gefallen.
August Kraft war einer der wenigen Malscher Bürger, bei welchem die Angehörigen noch die traurige Mitteilung bekamen, dass er nicht mehr nach Hause kommen wird.
August Kraft ist am 22. Dezember 1942 in Stalingrad gefallen
Am 10. Februar 1943 wurden die Angehörigen der Stalinkämpfer gebeten, Anfragen über das Schicksal ihrer Angehörigen bei Dienstsstellen der Wehrmacht und der Partei noch so lange zurückzustellen, bis man in der Lage ist, hierzu etwas zu sagen. Am 1. März 1943 wurden den Angehörigen mitgeteilt, sie sollten sich unter Angabe der Personalien des Vermissten und seiner letzten Feldpostnummer, mit dem Wehrmeldeamt in Verbindung zu setzen. Hierbei konnte nur festgestellt werden, ob die Einheit des Betreffenden in Stalingrad eingeschlossen war oder nicht. Der für Rückfragen gebildete Arbeitsstab „Stalingrad“ wurde am 1. Juni 1944 aufgelöst.
Bei den meisten der nicht mehr heimgekehrten Malscher Mitbürger aus Stalingrad blieb ihr Schicksal ungeklärt. Von den etwa 100 000 deutschen Soldaten, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft kamen, kehrten bis 1956 etwa 6 000 Überlebende zurück. Einer davon war Andreas Eggs, der Mitte Dezember 1949 aus russischer Gefangenschaft zurückkehren durfte.
Bei einem Gespräch im Februar 2003 berichtete mir Andreas Eggs ausführlich über die letzten Tage von Stalingrad bis zur Kapitulation der 6. Armee und über seine russische Gefangenschaft. Durch einen Essensfahrer hatte Andreas Eggs Ende November 1942 erfahren, dass die 6. Armee eingeschlossen ist. Ein Ausbruchsversuch wäre zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch möglich gewesen. Die eisige Kälte im Winter 1942/1943 hat dafür gesorgt, das bei Andreas Eggs die Füße erfroren sind. Der Hunger und die eisigen Temperaturen waren furchtbar. So gab es Ende 1943 für 78 Soldaten seiner noch vorhandenen Kompanie wöchentlich nur zwei Kommisbrote. Täglich erhielten die Soldaten eine Suppe bestehend aus Schnee mit etwas Fett zusammengerührt, sowie morgens eine Tasse Kaffee. Munition hatten die Soldaten kaum noch. In Erwartung der Gefangennahme durch die Russen am 23. Januar 1943 wurden die Waffen an den Kellereingang ihres Verstecks, versehen mit dem „Roten Kreuz“ als Zeichen ihrer Aufgabe, hingestellt. Am 30. Januar 1943 ging es dann in russische Gefangenschaft. Zu Fuß marschierten die Gefangenen in ein Lager, wobei in jeder Stunde drei Kilometer zurückzulegen waren. Viele deutsche Soldaten waren so geschwächt, dass sie nicht mithalten konnten. Auf diese Menschen wurde keine Rücksicht genommen, sie wurden erschossen. Nur durch die Mithilfe von zwei seiner Kameraden erreichte Andreas Eggs mit seinen erfrorenen Füßen das erste Lager.
Anfangs starben viele Gefangene in den russischen Lagern an Unterernährung und an der Fleckfieber-Krankheit. Die letzten fünf Jahre seiner Gefangenschaft arbeitete Andreas Eggs als Holzfäller an dem Fluss Kama. Den Eltern von Andreas Eggs teilten die Behörden mit, dass er vermisst ist, was seine damalige Braut bewog sich zu verheiraten.
So wie mir Herr Eggs berichtete, erfuhren seine Eltern durch Zufall im Jahre 1946 dass er noch am Leben ist. Nach seiner Heimkehr am 13. Dezember 1949 heiratete Andreas Eggs Hedwig Wildemann aus Malsch.
Im Kessel von Stalingrad entstand ein eindruckvolles Bild von dem Theologen und Arzt Dr. Kurt Reuber, die Madonna von Stalingrad, die er an Weihnachten 1942 für seine Kameraden auf der Rückseite einer russischen Landkarte zeichnete. Das Bild strahlt Hoffnung, Geborgenheit und Zuversicht aus.
Dieses Bild wurde mit dem letzten Flugzeug aus Stalingrad ausgeflogen. Es ist ausgestellt in der Ruine der Gedächtniskirche in Berlin. Heute gilt dieses Bild als Mahnung gegen den Krieg.
Josef Bechler
Heimatfreunde Malsch